72 Viii. Vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution.
Ziel bcr österreichischen Politik.
Verhandlungen mit Frankreich.
Au. Die Justiz sollte unabhängig von fürstlicher Laune sein. Eine Verordnung vom Jahre 1746 verlangte: es sollte „eine kurze und solide Justiz hergestellt und alles dabei bloß nach Vernunft, Recht und Billigkeit, wie es das Beste des Laudes und der Untertanen erfordert, eingerichtet werden". — So erstarkte unter Friedrichs landesväterlichem Regiment die Volkskraft; es füllten sich die Kassen und der preußische Staat wurde zur Lösung der Aufgaben vorbereitet, die bald in beinahe überwältigender Größe an ihn herantraten.
§ 94.
Der Iii. Schlesische Krieg oder der Siebenjährige Krieg 1756-176.3: Entstehungsgeschichte.
1. Der Ausgang der beiden Schlesischen Kriege hatte Maria Theresia schwer getroffen. Die Erinnerung an den Verlust des wohlhabenden Schlesien wich nicht mehr ans ihrem Bewußtsein und erzeugte uach und nach das Gefühl der Rache, das endlich ihre ganze Politik bestimmte. Das unverrückbare Ziel derselben war fortan die Wiedererwerbung Schlesiens und die Demütigung Preüßeus. Daß solches Ziel aus eigener Kraft nicht zu erreichen war, stand in Wien fest. Daher sah man sich nach Bundesgenossen um und ließ kein Mittel unversucht, um eiue große Koalition gegen Friedrich zu stände zu bringen. Die wichtigste Rolle in den Unterhandlungen, welche mit den großen Mächten Europas geführt wurden, spielte der Minister Kaunitz.
2. Welche Mächte wurden nun in den Kreis der österreichischen Interessen gezogen? Kaunitz dachte zuerst au einen Staat, der seit länger als zweihundert Jahren beständig auf die Schwächung der Habsburger bedacht war und der österreichischen Dynastie die tiefsten Wunden geschlagen hatte, an Frankreich. Es war schwer, den Boden gemeinsamer Interessen zu finden; aber Kaunitz schien das nicht unmöglich. Durch die Marquise von Pompadour, eine Dame, welche großen Einfluß auf die Entschließungen des französischen Königs Ludwig Xv. hatte, machte er diesem die österreichischen Vorschläge: Allianz mit Österreich und Hilfe zur Wiedererwerbuug von Schlesien. Er bot sür die Einwilligung in dieselben: die Abtretung der Niederlande an Frankreich und das Versprechen, einer Besitzergreifung Hannovers, das durch Personalunion mit England verbunden war, nicht entgegenwirken zu wollen.
Lange schwankte Ludwig Xv. Er konnte eben ein gewisses Mißtrauen in die Aufrichtigkeit der österreichischen Vorschläge nicht unterdrücken. Da griffen Vorgänge jenseits des Ozeans entscheidend in
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92 Viii. Vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution.
a. Kirchliche Reformen.
b. Staatliche Reformen.
führen, deren Verwirklichung er für seine Erbstaaten mit großem Eifer und überstürzender Hast anstrebte. Die Reformen zerfallen in solche, die sich auf das kirchliche und in solche, die sich auf das staatliche Gebiet beziehen.
Kirchliche Reformen. Joseph Ii. suchte das Band zu lockern, welches den österreichischen Klerus an den Papst knüpfte, und wollte das kirchliche Leben vor allzu großer Beeinflussung durch römischen Geist bewahren. Zu diesem Zwecke verpflichtete er die Bischöfe durch einen Eid zur Beobachtung der Landesgesetze, ordnete er an, daß die päpstlichen Erlasse nur mit Genehmigung seitens des Landesherrn in den Kirchen bekannt gegeben werden durften, stellte er die geistlichen Orden unter Aufsicht der Bischöfe und verbot ihnen den Verkehr mit auswärtigen Oberen, hob er etwa 700 Klöster auf (J/8 aller vorhandenen und zwar diejenigen, welche nur der Beschaulichkeit dienten, weder Schule hielten, noch predigten und den Beichtstuhl versahen, noch Kranke pflegten, noch wissenschaftlich Hervorragendes leisteten) und verwendete deren Vermögen zur Gründung von Pfarreien, Schulen, und Wohltätigkeitsanstalten: Tanbstummeninstitnt, Findelhaus, Irren-, Waisen- und Krankenhäusern. Die größte Bedeutung erlangte das im Jahre 1781 erlassene Toleranzedikt, welches den beiden protestantischen Konfessionen und den Anhängern der griechischen Kirche die Privatausübung ihrer Religion in einfachen Bethäusern und bürgerliche Gleichberechtigung mit den Katholiken einräumte. Alle diese in das kirchliche Leben ties einschneidenden Neuerungen erweckten, da sie mit rücksichtsloser Energie, ohne Schonung der herrschenden Vorurteile und der Neigungen des Volkes durchgeführt wurden, den Unwillen der Geistlichkeit und der großen Menge und riefen eine heftige Opposition hervor; aber der Kaiser ließ sich uicht einschüchtern. Wirkungslos waren auch die Versuche, welche der Papst Pius Vi. machte, um Joseph zur Zurücknahme der vollzogenen Maßregeln zu veranlassen. Der Monarch empfing den Papst, der, um durch seinen persönlichen Eindruck den Reformator umzustimmen, selber nach Wien gereist war, mit geziemender Ehrfurcht, blieb aber unbeugsam und ließ sich durch keine Vorstellung zu irgend einem Entgegenkommen bewegen (1782).
Staatliche Reformen. Wie auf kirchlichem Gebiet, so suchte Joseph Ii. mit gleicher Lebhaftigkeit auch in deu bürgerlichen Einrichtungen Neuerungen durchzuführen. Eine seiner ersten Anordnungen, die er in dieser Richtung traf, bezog sich aus die Verhältnisse des Bauernstandes. Indern er die gedrückte Lage desselben als eine Ungerechtigkeit ansah, hob er die Leibeigenschaft aus und beschränkte das Strasrecht der Grundherren auf ein geringes Maß. (Eine gewisse Gutsuntertänigkeit blieb bestehen.) Im Hinblick darauf sagte
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182 X. Vom Wiener Kongreß bis zur Wiederaufrichtung des Deutschen Kaisertums.
Kongreß aus eigener Initiative einen auf dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetze beruhenden Verfassungsentwurf ausarbeiten. Das Verfassungswerk kam 1816 zu stände. Am 26. Mai 1818 trat Bayern in die Reihe der konstitutionellen Staaten ein. König Max I. Joseph schenkte seinem Volke eine Verfassung, auf Grund welcher sich ein volkstümliches und fortschreitendes Staatsleben entfalten konnte. Er sicherte darin den Staatsbürgern Gleichheit vor dem Gesetze (namentlich in der Besteuerung), Sicherheit der Person und des Eigentums, Freiheit des Glaubens zu und knüpfte Gesetzgebung und Besteuerung an die Mitwirkung einer Volksvertretung (§ 145, 7). 1818 erhielten noch Nassau und Baden, 1819 Württemberg und 1820 Hessen-Darm st adt Verfassungen. tionse$r@en Ein widerspruchsvolles Verhalten zeigte Preußen. Gerade
Preußens, seine Bevollmächtigten hatten ans dem Wiener Kongreß die Anträge auf Erlaß von landständischen Verfassungen gestellt. Friedrich Wilhelm Iii. hatte auch den ehrlichen Willen, in seinem Lande mit gutem Beispiel voranzugehen, und schon 1815 die Bildung von Provinzialvertretungen angeordnet, aus welchen dann die Versammlung der Landesrepräsentanten gewählt werden sollte. W. v. Humboldt, seit 1819 Minister, hatte in einer Denkschrift die Notwendigkeit einer Landesrepräfentation nachgewiesen und an dieselbe die Hoffnung geknüpft, daß sie die sittliche Kraft der Nation erhöhe, den Staat stärke und sichere Bürgschaften für dessen fortschreitende Entwicklung nach innen gewähre. Da erfolgte die verhängnisvolle Tat K. Sands und erregte in dem schwankenden König Bedenken. Metternich warnte vor Zugeständnissen an den Geist der Zeit und der preußische Adel, der am liebsten die Stein'schen Reformen wieder rückgängig gemacht hätte, bekämpfte mit allen Mitteln die auf Erlaß einer Verfassung hinzielenden Bestrebungen. Humboldt wurde entlassen. Die Versassnngs-srage blieb ungelöst; dagegen erhielt das Volk 1823 durch königliche Provinznilstände Verfügung die Provinzialstände, welche ans Vertretern der adeligen, städtischen und bäuerlichen Grundbesitzer gebildet wurden. (Wer nicht Grundeigentum besaß, war von jeder Mitwirkung am politischen Leben ausgeschlossen.) Die den neuen Körperschaften eingeräumten Befugnisse waren von geringem Umfange; sie hatten, abgesehen von wenigen Fällen, in welchen ihnen das Recht der Beschlußfassung zustand (Armenwesen, Straßenbau, Irrenhäuser), nur das Recht der Beratung. Da für die Verhandlungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, so konnten von den Provinzialständen fruchtbare Anregungen auf das Volk nicht ausgehen.
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Extrahierte Personennamen: Max_I. Joseph Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Metternich
186 X. Vom Wiener Kongreß bis zur Wiederaufrichtung des Deutschen Kaisertums.
§ 131.
Der Preußisch-deutsche Zollverein 1834.
1. Wir haben gesehen, daß die Bundesversammlung in Frankfurt a. M. hinsichtlich des nationalen und konstitutionellen Gedankens eine hemmende, ja unterdrückende Tätigkeit ausübte und daß sie da, wo von seiten einzelner Fürsten das Bestreben nach einem freien inneren Ausbau der Eiuzelstaateu hervortrat, kein Mittel unversucht ließ, um den Regierungen die Hände zu binden. Wie unerquicklich nun auch das Bild war, welches Deutschland in politischer Beziehung darbot, auf wirtschaftlichem Gebiete, sowie in Kunst und Wissenschaft kam es in der langen Friedenszeit zu einer äußerst erfreulichen Entwicklung der Kräfte. Wir betrachten hier die wirtschaftlichen Erscheinungen.
"de"m deutschen^ 2- Nach dem Wiener Kongreß erhoffte man in ganz Deutschland
iebenmaenben nac^ einer langen Lähmung und Fesselung der produktiven Kräfte Druckes, eilte Belebung von Industrie, Handel und Verkehr. Dieselbe trat jedoch nicht eilt. Die Ursache davou war: 1. das massenhafte Einstro m e n e n g l i s ch e r F a b r i k a t e, die während der Kontinentalsperre in England hergestellt und aufgestapelt und nun zu (Schleuderpreisen ans dem deutschen Markt abgesetzt wurden, und 2. das in Deutschland herrschende unheilvolle Grenzzollsystem, welches die vielen Staaten fast hermetisch Don einander abschloß, die Zirkulation der Waren außerordentlich belästigte und verteuerte und den Schmuggel mit seinen entsittlichenden Wirkungen zur höchsten Blüte brachte. „Das Bedürfnis eines wirksamen Schutzes der nationalen Industrie" veranlaßte verschiedene Fabrikanten, sich hilfesuchend an den Bundestag zu wenden. Aber das Zentralorgan in Frankfurt kümmerte sich nicht um die Beförderung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen, obwohl Artikel 19 der Bundesakte eine Regelung des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten in Aussicht stellte. Da trat Preußen hervor und zeigte den deutschen Regierungen den einzig richtigen Weg zur Besserung der Verhältnisse.
Das preußische 3. Es erließ 1818 ein Zollgefetz, welches zwischen den eigenen
Z^llgesetz vou Provinzen die Beschränkung des freien Verkehrs aufhob, die Zölle an die Grenzen des Staates verlegte, die Einfuhr der Rohstoffe entweder gar nicht oder nur sehr gering belastete, für die Manufakturwaren eiueu mäßigen Schutzzoll (10 %), für die Kolonialwaren jedoch einen höheren Finanzzoll (20%) einführte. Da bei der Zerrissenheit des preußischen Gebietes die preußische Grenzlinie eine Menge von Staaten berührte, so stellte sich die Ausdehnung des Zollgesetzes auf die benachbarten Staaten als eine Notwendigkeit heraus. Vor allem war es der
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschen_Kaisertums Frankfurt_a._M. Deutschland Deutschland England Deutschland Frankfurt
§ 132. Regierungsantritt Friedrich Wilhelms Iv.
189
für Fragen des öffentlichen Lebens gegeben und die Meinung erweckt, er werde die neuen Ideen der Zeit auf sich wirken lassen und sich den Wünschen des Volkes gegenüber nicht ablehnend verhalten. Mit hochgespannten Erwartungen sah man daher seiner Thronbesteigung entgegen. Unwillkürlich kamen auch Erinnerungen an das Jahr 1740, in welchem Friedrich der Große, der Philosoph auf dem Throne, die Zügel der Regierung ergriff, und au das Jahr 1640, in welchem der Große Kurfürst seine erfolgreiche Wirksamkeit als Regent begann.
Vielleicht werde der Geist jener Ahnen den neuen König erfassen und
diesen zu befreienden Taten bewegen. Die ersten Regierungs- Ne-Äs"
Handlungen Friedrich Wilhelms Iv. schienen alle Hoffnungen zu Handlungen.
bestätigen. Der König lockerte die Fesseln, durch welche die Freiheit
der Presse und Rede eingeschränkt war; eine allgemeine Amnestie
für politische Vergehen und Verbrechen öffnete Hunderten von sreiheits-
und vaterlandsliebenden Männern die Pforten der Gefängnisse;
M. Arndt, seit 1820 suspendiert, wurde wieder in seine Professur eingesetzt und L. Jahn aus der Polizeiaufsicht (und seiner Internierung zu Freiburg') befreit; die beiden Grimm erhielten als Mitglieder der Akademie einen ehrenvollen Ruf nach Berlin (1840) und Dahlmann wurde Professor in Bonn. Angesichts solcher Tatsachen hielt man es für wahrscheinlich, daß der König den von der Zeit geforderten Schritt tun, nämlich Preußen in einen Verfassungsstaat mit einer Volksrepräsentation verwandeln werde.
3. In dieser Beziehung aber erlebte man schon 1840 eine Ent- Ss^egen8 täuschung. Der König ließ sich, einem alten Brauche folgend, von etneftmiftttimmi. den Ständen der Provinzen huldigen. Gelegentlich der H u l d i g u n g s -
feier in Ostpreußen (Königsberg) nahten sich ihm die Stände unter Berufung auf eine Verordnung von 1815 mit der ehrfurchtsvollen Bitte, das in jener Verordnung gegebene Versprechen seines Vaters einzulösen und den preußischen Staat in die Reihe der konstitutionellen Staaten einzuordnen. Die mit Spannung erwartete Antwort enthielt eine entschiedene Ablehnung. Der König denke an eine weitere Entwicklung der Provinzialstände, wolle aber von Volksvertretungen im modernen Sinne nichts wissen. (Patriarchalisches Königtum, nicht konstitutionelles.) Die Erkenntnis der Kluft zwischen dem Gedankenkreis des Königs und den Forderungen des Volkes brachte den ersten Mißklang in den allgemeinen Jubel. Bald verstummte derselbe ganz und gar und es verbreitete sich eine Mißstimmung, welche in der Tagespresse, in Gedichten und Flugschriften einen Ausfluß suchte und fand. Die Unzufriedenheit wuchs von Jahr zu Jahr und nahm mit der Zeit eine bedenkliche Höhe an.
4. Da erschien im Februar 1847 ein königliches „Patent," Am Febr^i^
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Bonn Ostpreußen Königsberg
§ 133. Die Revolution von 1848. 195
nach Mitternacht dauerte. Am Morgen des 19. März gab der König Befehl zum Abzug der Truppen aus der Hauptstadt; auch willigte er in die Errichtung einer Bürgerwehr zum Schutze der Ordnung und Sicherheit.
5. Im Mai wurde in Berlin die aus allgemeinen Wahlen her-vorgegangene (Preußische) Nationalversammlung eröffnet. Versammlung. Sie sollte durch gemeinsame Arbeit mit der Regierung eine Verfassung schaffen. Bald aber zeigte sich ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen
der demokratischen Kammermehrheit einerseits, der Regierung und ihren Anhängern anderseits. Die Beratungen verliefen resultatlos. Infolgedessen hob Friedrich Wilhelm die Nationalversammlung, die inzwischen wegen häufiger Störungen von Berlin nach Brandenburg verlegt worden war, auf und verkündete (oktroyierte) im Dezember 1848 dem Lande eine von der Regierung entworfene Verfassung, welche von den aus Grund derselben zusammengetretenen zwei Kammern beraten und am 6. Februar 1850 von König und Landtag feierlich beschworen wurde. (Die gesetzgebende Gewalt wird fortan durch den König, das Herrenhaus — seit 1854 so genannt — und das Haus der Abgeordneten ausgeübt.) Der Sturm war vorbei; die Ruhe kehrte zurück.
6. Der unruhige Geist der Zeit ergriff auch das bayerische B^gungen^in
Volk. In lärmender Weise verlangte es Preßfreiheit, Ministerverant- «aven.
Wörtlichkeit, Öffentlichkeit der Rechtspflege 2c. König Ludwig I. gewährte durch die Proklamation vom 6. März 1848 alle diese Forderungen, legte aber am 20. März aus freiem Entschlüsse die Zügel
der Regierung in die Hände seines Sohnes Maximilian. — Stürmischer war die Bewegung in Baden. Leidenschaftliche Republikaner, wie Hecker, Struve und Herwegh, planten den Sturz der Monarchie. Sie riefen im April 1848 von Konstanz aus zu den Waffen. Die von ihnen aufgestachelten und von französischen Republikanern verstärkten Haufen aber wurden von Bundestruppen zerstreut.
7. Wir haben bisher die auf den freiheitlichen Ausbau der
Einzelftaaten gerichteten Bestrebungen kennen gelernt; nun werde noch
der mächtigen Strömung gedacht, welche eine gründliche Umgestaltung der Bundesverfassung und damit die Vereinigung der deutschen Staaten und Stämme zu einem organisch gegliederten Ganzen ins Auge faßte.
Ende März 1848 vereinigten sich in Frankfurt a. M. verschiedene Das Vorparia-Mitglieder der deutschen Ständeversammlungen, das sog. Vorparlament. Sie stellten den Grundsatz der Volkssouveränität aus und beschlossen, daß eine aus allgemeinen, direkten Wahlen hervorgehende deutsche Nationalversammlung das Verfassungswerk in Angriff nehmen und zur Durchführung bringen solle. Ihre Beschlüsse fanden die Zustimmung des Bundestages, welcher sich, die Zeichen der Zeit er-
13*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Ludwig_I. Maximilian Maximilian Hecker Struve Herwegh
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Brandenburg Baden Konstanz Frankfurt_a._M.
§ 126. Wiener Kongreß.
175
der Jahre 1813—1815, welche bewiesen, was ein Volk zu leisten vermag, wenn es in Eintracht zusammenarbeitet, hatten in dem national-gesinnten Teile der Bevölkerung das lebhafte Verlangen nach einem festen und dauernden Zusammenschluß der einzelnen Stämme hervorgerufen, nach gemeinsamen Einrichtungen, durch welche die zu schaffende Zentralgewalt einen wertvollen Inhalt bekäme. Dieses Verlangen kam auch in Wien zum Ausdruck. Allein alle diesbezüglichen Pläne und Vorschläge (Herstellung von Kaiser und Reich, Errichtung eines Bundesgerichtes für den Rechtsschutz der einzelnen re.) scheiterten an dem Widerspruch der Rheinbundsstaaten, die davon eine Beeinträchtigung ihrer Souveränitätsrechte fürchteten, der auswärtigen Mächte, die ein geeinigtes Deutschland nicht aufkommen lassen wollten, und an dem Verhalten Österreichs, dessen leitender Minister Metternich das Heil in der Zersplitterung und in der Pflege des Partikularismus suchte und daher der Meinung war, daß die deutschen Staaten in voller Autonomie neben einander bestehen sollten.
Was schließlich als Frucht der Beratungen herauskam, das war der sog. „Deutsche Bund", eine lose Vereinigung von Staaten, von denen jeder einzelne das Recht hatte, Bündnisse jeder Art, selbst mit dem Auslande zu schließen, sofern dieselben nicht gegen den Bund und seine Glieder gerichtet waren, ein Recht, das auch im Westfälischen Frieden den Reichsständen gewährt worden war und das sich in der Folgezeit als eine nachteilige Bestimmung erwiesen hatte. Die Festsetzungen über die Einrichtungen des Bundes wurden in der „Teutschen Bundesakte" vom 8. Jum 1815 niedergelegt.
2. Nach derselben war der Bund ans 39 Staaten z n s a m m e n - Zusammensetzung gesetzt: aus 1 Kaiserreich (Österreich), 5 Königreichen (Preußen,
Bayern, Hannover, Sachsen, Württemberg), 1 Kurfürstentum (Hessen-Kassel), 7 Großherzogtümern (Baden, Hefsen-Darmstadt, Mecklenburg-Schwerin und -Streütz, Sachsen-Weimar, Luxemburg, Oldenburg),
10 Herzogtümern, 10 Fürstentümern, 1 Landgrafschaft (Hessen-Hom-burg), und 4 Freien Städten (Frankfurt a. M., Hamburg, Bremen,
Lübeck). Die beiden deutschen Großmächte gehörten, damit sie ihre Selbständigkeit als europäische Großmächte wahren konnten, dem Bund nur mit einem Teil ihres Gebietes an; das transleithauische Österreich sowie die Provinzen Preußen und Posen standen außerhalb desselben. Dagegen waren verschiedene fremde Monarchen Mitglieder des Bundes: der König von England für Hannover (Personalunion bis 1837), der König von Dänemark für Holstein und Lauenburg (Personalunion bis 1864), der König der Niederlande für Luxemburg.
3. Als Zweck des Bundes galt die Erhaltung der äußeren und Zweck des inneren Sicherheit Deutschlands, ferner die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.
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Extrahierte Personennamen: Metternich Dänemark
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§ 135. Das Ii. französische Kaisertum. 201
7. Die fortan vom Bundestag entfaltete Tätigkeit wurde ^Reamvnäre^ ganz vom Geiste der Karlsbader und Wiener Konferenzen (§ 128, 3 u. 4) Bundestages." geleitet. Reaktionäre Maßregeln sollten die in der Nation vorhandene einheitliche und freiheitliche Bewegung am Erstarken verhindern und der Wiederkehr innerer Stürme, der tatkräftigen Erhebung des Volkes für seine Ideale vorbeugen. So wurden die „Grundrechte", soweit sie von den Einzelstaaten noch nicht angenommen worden waren, beseitigt, einschränkende Bestimmungen gegen die Presse und das Vereinswesen erlassen und die Regierungen ermuntert, die von ihnen früher gegebenen Verfaffnngen aufzuheben oder ihrer demokratischen Bestandteile zu entkleiden, und damit auch die letzte Spur der Frankfurter Schöpfungen vertilgt werde, wurden im Dezember 1852 die vom Parlament und der Zeutralgewalt behufs Begründung einer deutschen Flotte angekauften Kriegsschiffe in Bremerhafen öffentlich versteigert.
Das „tolle Jahr" 1848 war dahin. Die an dasselbe geknüpften Hoffnungen waren gescheitert. Eine Frucht aber hatte es gezeitigt.
Die nationale Idee war selbst im Fehlschlagen gewachsen und die Einsichtigen im Volke hatten die Erkenntnis gewonnen, daß die angestrebte Einigung nur im Einverständnis und unter Mitwirkung der Fürsten, dieser Repräsentanten der Gewalt, herbeigeführt werden könne.
§ 135.
Das Ii. französische Kaisertum. Der Krimkrieg und der Italienische Krieg.
1. In den folgenden Jahrzehnten griff Frankreich entscheidend in den Gang der europäischen Politik ein. Es schwang sich zu einer Macht: Art Vorherrschaft ans dem Kontinente empor. Dieser Wandel knüpfte sich an den Mann, der 1848 an die Spitze des französischen Staates gekommen war, an Napoleon. In dem „Prinzpräsidenten" erwachte die Erinnerung an seinen großen Oheim und mit derselben stellte sich das Streben ein, sich eine Macht und eine Stellung zu verschaffen, wie sie jener inne gehabt hatte. Seine auf dieses Ziel gerichteten Bemühungen wurden mit überraschendem Erfolge gekrönt. Durch Freigebigkeit und Gnadenakte aller Art erwarb er sich die Zuneigung der unteren Volksklassen, durch Reisen im Lande und gewinnende Freundlichkeit die Gunst der städtischen Behörden; desgleichen verstand er es, die Armee an seine Person zu fesseln. Als die Nationalversammlung merkte, daß er eine über die Schranken der Republik hinausgehende Macht anstrebte, regte sich in ihr die Opposition; sie suchte zu verhindern, daß der Emporkömmling im Jahre 1852 wieder ge-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Italienische_Krieg Frankreich
244 X. Vom Wiener Kongreß bis zur Wiederaufrichtung des Deutschen Kaisertums.
glorreicher Reichsfrieden folgen, und möge die Aufgabe des deutschen Volkes fortan darin beschlossen sein, sich in dem Wettkampfe um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen. Das walte Gott!" In der Stunde, in welcher sich die Vertreter des Volkes zum erstenmal um den Thron des Kaisers versammelten, wurde Bismarck in Anerkennung seiner Verdienste in den Fürstenstand
erhoben.
5. Eiuige Bestimmungen aus der Verfassung des Deut-
schen Reiches.
a. Das Bundesgebiet (Deutsches Reich) umfaßt 25 Einzelstaaten : 4 Königreiche, 6 Großherzogtümer, 5 Herzogtümer, 7 Fürstentümer, 3 Freie Städte; außerdem die unmittelbar unter Kaiser und Reich stehenden Reichslande Elsaß und Lothringen. Als Organe des
Reiches gelten: der Kaiser und als Stellvertreter desselben der Reichskanzler, der Bundesrat, der Reichstag und die Reichsbehörden.
b. Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen
zu, der den Namen Deutscher
Kaiser führt. Er besitzt den Oberbefehl über die gesamte Land-und Seemacht des Reiches, hat alljährlich den Bundesrat und den Reichstag nach Berlin zu berufen und die von denselben beschlossenen Gesetze zu verkünden, hat ferner das Reich dem Ausland gegen-Fürst von Bismarck. über zu vertreten und kann mit
Zustimmung des Bundesrats den Krieg erklären, sowie Frieden, Bündnisse und Verträge mit sremden Staaten schließen.
e. Der Reichskanzler ist der oberste Beamte des Reiches; er
ist der einzige verantwortliche Reichsminister und hat daher alle Anordnungen und Verfügungen des Kaisers mit seiner Gegenzeichnung
zu versehen; er hat den Vorsitz im Bundesrat und vertritt dem Reichs-
tag gegenüber die Reichsregierung.
d. Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der zum Reiche gehörigen Regierungen, im ganzen -ans 58 Stimmen (17 für Preußen,
6 für Bayern, je 4 für Sachsen und Württemberg, je 3 für Baden und Heffeu, je 2 für Mecklenburg-Schwerin und Braunfchweig, je eine für die übrigen Staaten). Er beschließt über die dem Reichstag zu madjenden Gefetzesvorlagen und die von demselben gefaßten Beschlüsse;
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§ 143. Das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm I. 1871—1888. 245
auch hat er die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verwaltungsmaßregeln vorzubereiten.
6. Der Reichstag besteht aus den vom Volk gewählten Vertretern (jetzt 397, darunter 48 aus Bayern). Die Wahl zum Reichstag ist eine allgemeine und direkte und erfolgt auf die Dauer von fünf Jahren. (Allgemein: jeder Bürger wühlt; direkt: jeder Urwähler wählt den Abgeordneten.) Der Reichstag faßt Beschlüsse über die vom Bundesrat vorberatenen Gesetze und hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reiches Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrate resp. Reichskanzler zu überweisen; auch überwacht er die Aufstellung des Reichshaushaltes.
f. Gesetze, welche von der Mehrheit des Reichstages beschlossen und von der Mehrheit des Bundesrats angenommen worden sind, heißen Reichsgesetze. Sie werden vom Kaiser im Reichsgesetzblatt veröffentlicht und gehen den Landesgesetzen vor. Der Reichsgesetzgebung unterliegen u. a. das Zoll- und Handelswesen, die Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtssystems, das Post-, Telegraphen- und Eisenbahnwesen, das Militärwesen und die Kriegsmarine. Doch genießen Bayern und Württemberg in mancher Hinsicht Sonderrechte, d. h. sie können ihre diesbezüglichen Angelegenheiten nach eigenem Ermessen regeln.
g. Zur Bestreitung der Reichsausgaben dienen die aus Zöllen, Verbrauchssteuern (auf Salz, Tabak, Zucker, Branntwein), aus dem Post- und Telegraphenwesen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit letztere zur Deckung nicht ausreichen, müffen die noch erforderlichen Summen von den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufgebracht werden (Matriknlarbeiträge), sofern nicht in Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses die Aufnahme einer Anleihe beschlossen wird.
§ 143.
Das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm I. 1871—1888.
1. In der von Versailles aus erlassenen Proklamation „Art das Deutsche Volk" und in der Thronrede, womit der erste deutsche Reichstag eröffnet wurde, sprach, wie wir wissen, Wilhelm I. den Wunsch aus, es möge ihm vergönnt sein, den Frieden zu wahren und die Werke auf dem Gebiete der nationalen Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung zu fördern. Alle seine nun folgenden Regierungshandlungen, bei welchen ihm sein großer Kanzler Fürst Bismarck mit unerschütterlicher Treue zur Seite stand, waren Ausfluß dieser Gesinnung. — Der mit Frankreich abgeschlossene Friede war nur ein äußerlicher; zu einer inneren Aussöhnung war es nicht gekommen. Angesichts
Wilhelms I. Sorge für die Erhaltung des Friedens.
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